Im November nahm das Team unserer Politische Bildung an der 2. Landesdemokratiekonferenz, in Düsseldorf, teil. Die Konferenz widmete sich dem weiten Feld der Hate Speech und beleuchtete die unterschiedlichen Formen von rechts motiviertem Hass und Hetze im Internet, die in Zeiten der Pandemie merklich an Fahrt aufgenommen haben: Hasskommentare in den Kommentarspalten unter beispielsweise Tweets, YouTube-Videos, Instagram-Posts nehmen zu, es entstehen geschlossene digitale Räume wie etwa Telegramkanäle, Facebookgruppen und andere Plattformen in denen Aggressionen, Abwertungen und Gewaltfantasien ungebremst geteilt und verbreitet werden und sich zunächst unbemerkt ein wütender Mob bildet, der in der analogen Welt schließlich eine ernsthafte Gefahr für Mensch und Demokratie werden kann.

Simone Rafael, der Amadeus Stiftung, gab im Rahmen einer Keynote einen Überblick über die Entwicklung digitaler antidemokratischer Räume, Gruppen und Bewegungen ab Beginn der allgemeinen Nutzung des Internets seit 1990 und stellte eindrücklich dar, wie sich Gruppen, die u.a. rechten Hass, rassistische Überzeugungen, antisemitisches Gedankengut und frauenfeindliche Einstellungen teilen im Internet mobilisieren konnten. Rafael zeigte ferner auf, wie die heutigen Möglichkeiten der digitalen Vernetzung von u.a. Verschwörungserzähler:innen, Esoteriker:innen, rechten Parteien, Künstler:innen, Politiker:innen und Bewegungen zum Erstarken antidemokratischer Positionen beitragen und eine reale Gefahr für das demokratische System sind. Sie stellte außerdem unterschiedliche Umgehensweisen mit Hate Speech auf und erörterte die Vor- und Nachteile der Gegenstrategien. Rafael zufolge ist es wichtig, sowohl als Privatperson, aber vor allem auch als größere Organisation die Kontrolle über die Kommentare in den digitalen Räumen zu behalten indem problematische Äußerungen kommentiert oder gar gelöscht werden. Auch das Blockieren und Löschen von User:innen und Plattformen mir rechten Ideologien hält sie für sinnvoll, sofern diese auch weiterhin im Auge behalten werden.

Im Anschluss an die Keynote konnte zwischen sechs Workshops zum Thema Hate Speech gewählt werden. Im Workshop „Das Internet als Schnittstelle von Mensch und Ideologie: Wie das Netz zur Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts beiträgt und Radikalisierungsprozesse begünstigt“ beschäftigten wir uns mit digitalen Inhalten der „Neuen Rechten“, die vor allem Jugendliche ansprechen und radikalisieren sollen. Mitglieder:innen der „Identitären Bewegung“ und „Jungen Alternativen“ nutzen dabei das Internet gezielt, um auf den unterschiedlichen Plattformen und innerhalb verschiedener Formate systematisch diskriminierende und antidemokratische Positionen zu verbreiten.
Eine Strategie hinter der rechten Hetze beinhaltet laut den Referent:innen, einen „geistigen Wandel“; ein „Umdenken“ zu erzielen und wird als „Metapolitik“ oder „Kampf um die Köpfe“ bezeichnet. Des Weiteren verfolgen die Akteur:innen die sogenannte „Infokrieg-Strategie“: 1) Eine sogenannte Troll-Armee verbreitet im Internet durch etwa Memes, Shitstorms, Hashjacking und Doxing Hass, Falschinformation und ideologische Inhalte und erobert so digitale Räume. 2) Es werden möglichst viele Plattformen geklont, um dem Deplatforming entgegenzuwirken. Das bedeutet, die Akteur:innen stellen sich darauf ein, dass Kanäle, Foren, Konten usw. aufgrund problematischer Inhalte geschlossen werden und stellen sich im Internet breit auf. Inhalte werden auf vielen Plattformen gleichzeitig verbreitet. Die Übersicht über sich ständig neu entwickelnde Plattformen zu behalten, stellt eine hier Herausforderung dar. 3) Akteur:innen verbreiten ihre Ideologie, indem sie möglichst viele digitale Räume (Blogs, Portale, Infodienste) bespielen. Ziel ist es, dass politische Gegner:innen sich aus Angst aus den digitalen Räumen zurückziehen, diese mit Hass und Hetze mundtot zu machen und den öffentlichen Diskurs für sich zu gewinnen, indem gegnerische Stimmen verdrängt werden. Diesen Effekt nennt man „Silencing-Effekt“.

Im Anschluss an das strategische Vorgehen der „Neuen Rechten“ haben wir uns den Faktoren gewidmet, die eine Online-Radikalisierung begünstigen. Eine wichtige Rolle spielen Push- und Pullfaktoren. Pushfaktoren beziehen sich auf den inneren Antrieb einer Person, die individuelle Konstitution, aufgrund derer Menschen leichter für äußere Faktoren, die Pullfaktoren, ansprechbar sind. Besonders in Phasen der Identitätsbildung, die bei Jugendlichen mit Unsicherheiten, dem Wunsch nach Zugehörigkeit usw. einhergehen, sind Menschen anfälliger für äußere Pullfaktoren. Akteur:innen der „Neuen Rechten“ machen sich diesen Umstand zunutze, indem sie Inhalte produzieren, der reelle Ängste und Probleme aufgreift; Themen mit Bezug zur Lebenswirklichkeit. Erschwerend kommt bei Jugendlichen hinzu, dass sie mit dem Internet aufgewachsen sind und die Grenzen zwischen Online- und Offlinewelt miteinander verschwimmen und beide Welten eng miteinander verwoben sind. Online-Freundschaften sind genauso echt wie Beziehungen im analogen Leben, Menschen genauso glaubhaft, Geschehen ebenso wahr. D.h., das Internet hat einen großen Einfluss auf Identitätsentwicklungen von jungen Menschen und formt diese mit.

Zuletzt haben wir ein Video von Alexander Kleine alias „Malenki“, einem Mitglied der Identitären Bewegung und Protagonisten der „Neuen Rechten“, analysiert. Wir haben uns Sprache, Symbolik, Ästhetik, Orte, Narrative des Videos genauer angesehen und auf ihr rechts-ideologisches Potential hin untersucht. Dabei haben wir abschließend festgestellt, dass rechte Ideologien nicht immer leicht zu identifizieren sind, was die Auseinandersetzung mit rechten Codes und Erzählungen notwendig macht. Oftmals präsentieren sich die Akteur:innen als nahbar, bodenständig, sympathisch, naturverbunden und harmlos, sodass die eigentliche Intention, rechtes Gedankengut zu streuen, praktisch unsichtbar gemacht wird.

Am Ende der Landesdemokratiekonferenz wurden die Ergebnisse der sechs Workshops im Plenum vorgetragen. Im Rahmen einer abschließenden Podiumsdiskussion wurde die akute Bedrohung rechter Gewalt noch einmal aus den unterschiedlichen Perspektiven der Redner:innen beleuchtet und lösungsorientierte Handlungsoptionen diskutiert und aufgezeigt.

Vielen Dank an die Landeskoordinierungsstelle NRW für die sehr aufschlussreiche und gelungene Veranstaltung!