Als Gegenstück zum ‚Transgender Day of Remembrance‘, welcher 1999 von einer Gruppe Aktivist:innen in Reaktion auf den Mord an der trans Frau Rita Hester gegründet wurde, rief die trans Aktivistin Rachel Crandall 10 Jahre später zum 31. März den ‚International Transgender Day of Visibility‘ aus. Ihr Ziel war es, einen Feiertag zu schaffen, der nicht dem Tod erinnert, sondern das Leben von trans Menschen anerkennt und feiert. Seit 2009 hat sich viel getan und Transgeschlechtlichkeit ist bei weitem nicht mehr unsichtbar. Dies ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, wie viele trans Menschen berichten.
So schreibt Jess O’Thomson für das TransSafety.Network, dass die Sichtbarkeit von trans Menschen oft gefährlich sein kann, da man dadurch zu einem größeren Ziel für Gewalt wird. Dies veranschaulicht O’Thomson mit einem Beispiel aus dem Leben von Monica Sulley: Nachdem Sulley als ehrenamtliches Kommissionsmitglied der britischen Wohltätigkeitsorganisation Girlguiding ernannt wurde, durchforsteten transphobe Netzwerke Sulleys Social-Media-Kanäle und verbreiteten Bilder, welche Einblick in ihr Sexualleben boten. Es dauerte nicht lange bis die Bilder in Medienberichten in ganz Großbritannien zu sehen waren und Sulley infolgedessen von ihrer Position entlassen wurde. Dies erklärt, warum es unter trans Menschen eine gängige Verteidigungsstrategie ist, sich als cis zu präsentieren (also als das Geschlecht, welches zur Geburt festgestellt wurde) um dem hassvollen Blick transphober Akteure zu entkommen.
Deutlich wichtiger ist die Anerkennung von trans Identitäten an anderer Stelle: im Gesundheitssystem, bei der Ausbildung von Ärzt:innen, in Gefängnissen und in allen möglichen Gesetzen vom Familien- zum Asylrecht. Das Gespräch soll sich von Sichtbarkeit und Repräsentation zu einem Gespräch über Sicherheit und Rechten entwickeln. Sichtbarkeit muss daher differenziert und nicht allein als positiv betrachtet werden, denn sie kann auch als Waffe gegen trans Menschen verwendet werden, die Beseitigung von gesetzgeberischen Schikanen jedoch nicht.
*Text von Jonas Dreher- Praktikant des IBF- Politische Bildung des IBZ