Als sie die trans Menschen holten, habe ich geschwiegen; ich war ja nicht trans.
Letzten Monat verkündete die britische Regierung, dass sie die sogenannte ‚Konversionstherapie‘ – eine Reihe gefährlicher und in Verruf geratener Praktiken, die fälschlicherweise behaupten, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität bzw. den Geschlechtsausdruck einer Person zu ändern – für homo- und bisexuelle Menschen verbieten würde, nicht jedoch für trans- und non-binary Menschen. Diesen Monat wurde ein Gutachtenentwurf des US Supreme Court geleaked, in welchem die Entscheidung getroffen wurde, das Recht auf Abtreibung abzuschaffen. Was man hier beobachten kann ist ein Mikrokosmus konservativer Politik: das Abschaffen aller Rechte, welche die absolute Dominanz weißer, heterosexueller, und cisgender Männer ohne Behinderung infrage stellt. Stück für Stück, bis zum Schluss.
Als sie die homosexuellen Menschen holten, habe ich geschwiegen; ich war ja nicht homosexuell.
Wenn heute jemand versucht, darüber Angst zu schüren, dass schwule Männer in öffentlichen Toiletten Kinder sexuell belästigen könnten, dann wird die Homophobie der Person sofort erkannt und die Aussage somit direkt diskreditiert. Selbe Aussagen über Transfrauen sind jedoch salonfähig. Das Ziel der Menschen, welche diese Aussagen machen, hat sich nicht geändert, sie wissen jedoch, dass sie die Rechte von Homosexuellen (noch) nicht offen angreifen können, daher fokussieren sie sich auf Gruppen, deren Rechte weniger gefestigt sind. Wenn dies gelingt, greifen sie auch Homosexuelle an.
Als sie die Frauen holten, habe ich geschwiegen; ich war ja keine Frau.
Die Welt, welche sich konservative Wünschen besteht aus einer Hierarchie, in der sie selbst an der Spitze stehen. Konservative, welche selbst homosexuell, oder trans, oder schwarz, oder Frauen sind, werden über Bord geworfen sobald konservative weiße, heterosexuelle, cisgender Männer ohne Behinderung dominant genug geworden sind, um den Anschein von Offenheit und Akzeptanz, welche ihnen durch die Mitgliedschaft dieser (von ihnen) marginalisierten Gruppen geboten wird, nicht länger benötigen. Letztendlich ist die „Säuberung“ von den Reihen der Konservativen ja auch eine gängige Praxis – an dessen Ende steht die Nacht der langen Messer.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Um ihren Platz an der Spitze der Hierarchie zu legitimieren, erfanden Konservative Rassentheorien und stuften Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit als Krankheiten ein. Am 17. Mai 1990 – vor genau 32 Jahren – beschloss die Weltgesundheitsorganisation jedoch, Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten zu streichen; 2018 geschah dies endlich auch für Transgeschlechtlichkeit. Die Reihenfolge, in der solche Rechte erteilt werden, ist die umgekehrte Reihenfolge in welcher Konservative diese Rechte angreifen werden, bis zum letzten. In den USA fühlen sich Konservative heutzutage sicher genug, um das das 1973 beschlossene Abtreibungsrecht anzugreifen. Das Frauenwahlrecht in der Schweiz galt ab 1971. Wenn man Konservative lässt, ist auch dies irgendwann an der Reihe. Wer das nicht glauben will, hat nicht aufgepasst.
*Verfasst von Jonas Dreher