‚Wir‘ und ‚die Anderen‘ – die Ziehung von scheinbar unüberwindbaren Grenzen und die Betonung der Distanz zwischen Christentum und Islam ist eine jahrtausendalte Praxis. Doch betrachtet man zentrale Stellen in den heiligen Schriften beider Religionen genauer, so fällt auf, dass wesentliche Grundlagen die selben sind~. Dies veranschaulichten Imam Emad Abdalla und Pfarrer Eggers mit einem interaktiven Quiz welches im Rahmen der Aktionswochen gegen Rassismus vom IBZ Friedenshaus und dem Treffpunkt Alter des Diakonieverbands Brackwede am 25.04.22 angeboten wurde.
Beide Vortragenden stellten ihre Religionen zu Beginn mit ein paar Worten vor und sprachen allgemein über ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten, woraus diese genau bestehen wurde jedoch erst über die Betrachtung und den Vergleich zentraler Stellen der Bibel auf der einen Seite, und dem Koran und dem Hadith auf der anderen Seite deutlich. Der Hadith enthält die Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed während der Koran die wörtliche Offenbarung Gottes an den Propheten enthält. Zwar wurden die Auszüge von den bibelkundigen Besucher:innen meist richtig zugeordnet, Überraschungen gab es dennoch bei vielen Stellen aufgrund der Ähnlichkeit des Inhalts, so zum Beispiel bei einer der bedeutendsten Passagen – die Erschaffung des Menschen. Aus den Auszügen geht eine sehr ähnliche Formulierung hervor, so wird in beiden Schriften zuerst ein ‚einziges Wesen‘ bzw. ‚der Mensch‘ erwähnt und erst danach wird eine Unterteilung in ‚Mann und Frau‘ gemacht um die gemeinsame Menschlichkeit aller hervorzuheben. Eine weitere interessante Beobachtung war, dass die Bibel bei der Darstellung des selben Inhalts allgemeiner formuliert zu sein scheint und der Koran dagegen aufgrund der Nennung von Beispielen expliziter ist. Für genauere Einordnungen der Auszüge in den Kontext der Schriften stellten Pfarrer Eggers und Imam Abdalla für jede der Textstellen ihre Expertise zur Verfügung und beantworteten die vielen Fragen des Publikums.
Zum Schluss bot Pfarrer Eggers einen historischen Grund für die Ähnlichkeit der heiligen Schriften: der Ursprung beider Religionen liegt in der selben geographischen Region, weshalb sich viele Passagen in den Texten eher durch die Formulierung als durch den Inhalt unterscheiden. Jedoch haben sich beide Religionen unterschiedlich entwickelt: das Christentum über Rom nach Europa und durch den Kolonialismus über den gesamten Globus; der Islam entlang der historischen Seidenstraße und somit von Nordafrika bis nach Indonesien. Ziel der Veranstaltung, des Imams und des Pfarrers war es jedoch durch die Aufklärung über die Gemeinsamkeiten der Religionen das große Maß an ‚Andersheit‘, welche so oft zwischen den Anhänger:innen des Islams und des Christentums betont wird, anzuzweifeln und darüber hinaus einen Raum für offene und unvoreingenommene Gespräche zu schaffen.
Jonas Dreher